Aphorismen
Wider Sprüche
Aphorismen
Nur Wiederholbares kann gelernt werden.
Was aber ist mit dem Rest?
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Man spricht oft von Andersdenkenden. Warum wird in dieser Art nicht auch
von den Andersglaubenden gesprochen? Hier wird eher mit dem Gegensatz
Glauben vs. Nichtglauben operiert. Nach dieser religiösen Logik wären wohl
die Andersdenkenden eigentlich die Nichtdenkenden.
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Erklären heißt, im Geistigen eine Ordnung herzustellen,
etwas zu rechtfertigen oder etwas veränderbar zu machen.
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Etwas mit Sinn und Bedeutung zu versehen heißt,
einen Rückschluss auf das Ganze zu ziehen.
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Ausgangspunkt ist nicht das unteilbar Kleine,
sondern das unteilbar Ganze.
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Der Ausgangspunkt der Ich-Erfahrung ist das Erlebnis einer Differenz –
auf einer anderen Ebene.
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Werte? - Das ist das, was man seinen Kindern beibringt.
Das Leben beginnt mit einem Grundvertrauen.
Was aber ist mit dem Tod? - der gehört dazu.
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Die Sinnfrage stellt sich dann, wenn das Ganze in Frage
gestellt scheint.
Das Stellen der Frage nach dem Sinn des Lebens offenbart keine
Wissenslücke. Die Sinnfrage läßt sich nicht beantworten, man kann nur dafür
sorgen, dass sie nicht gestellt wird.
Das Verschwinden der Frage ist die Antwort.
Da liegt der Sinn des Lebens.
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Ein gelebter Glauben überzeugt durch das Beispiel.
Er wird freiwillig verbindlich.
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Eine Verbindlichkeit, die sich auf Ästhetisches gründet,
ist eine freiwillige.
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Glauben betrifft die innere Stimmigkeit, die erlebte Konsistenz des individuell
Subjektiven. Ihre Mitteilungsart ist vor allem eine Ästhetische, das Zeigen.
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Rationales Wissen erweist sich in einer äußeren Stimmigkeit, einer Konsistenz
des durch Sprache mitteilbaren Subjektiven. Dies ist durch intersubjektive
Kontrolle überprüfbar und wiederholbar.
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Das Auftauchen der Sinnfrage ist vergleichbar mit dem Überschreiten eines
Temperaturgrenzwertes beim Klimawandel. Dennoch sollte man über den
Klimawandel sprechen und nicht über die Art der Anzeige.
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Glauben ist dazu da, um an sich selbst zu arbeiten. Es ist eine Form der
Selbstvervollkommnung, des Selbstbewusstseins. Daraus ist kein
verbindlicher Anspruch an andere ableitbar, aber gegenüber sich selbst.
Manch einer meint, das Universum müsse irgendwo seinen Ursprung haben.
Das Einzige aber, dessen Ursprung erklärungsbedürftig ist, ist das
Bewusstsein. Oder sind wir wirklich so maßlos, anzunehmen, dass mit
unserem Denken auch die gesamte Weltgeschichte begonnen habe?
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Die Länge eines menschlichen Lebens entscheidet nicht über dessen Sinn.
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Existiert Gott? Die daran glauben, sollten so leben, als ob es ihn gäbe.
Damit ist die Frage beantwortet.
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Der Sinn des Lebens ist wie ein gelungenes Kunstwerk, es lässt die Fragen
verschwinden, ohne dass wir eine Antwort vermissen.
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… in der Lage sein, mit sich selbst Erfahrungen zu machen.
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Dostojewski sagt, wenn es Gott nicht gibt, dann ist alles erlaubt. Sicher ist,
wenn es nichts gibt, was uns heilig ist,
dann ist alles erlaubt.
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Die Ordnung der Natur und die Abfolge der Generationen rechtfertigen
durchaus ein Grundvertrauen in den Lauf der Welt. Allerdings vermeide ich in
diesem Zusammenhang das Wort Gott, um nicht missverstanden zu werden.
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Glauben hat die wichtige Aufgabe, Fragen verschwinden zu lassen.
Sie werden in Bildern aufgehoben.
Glauben gibt keine Antworten,
sondern lässt Fragen verschwinden.
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Glaubenssätze werfen keine Fragen auf.
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Es gibt ein nichtreligiöses Grundvertrauen.
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Kann ich aus einem Glauben Schlussfolgerungen ziehen?
Ja – aber nur für mich.
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Die in einem christlichen Umfeld Aufgewachsenen können sich Glauben
immer nur in Form von Religion vorstellen.
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Wenn Sie ihren Kindern eine Gute-Nacht-Geschichte mit Feen und Elfen
erzählen, wonach sie beruhigt einschlafen, stellt sich da der Gedanke ein,
es müsse Feen und Elfen tatsächlich geben, weil die Kinder sonst nicht so
eingeschlafen wären?
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Gegenstand des Glaubens ist nicht die äußere Welt.
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Der Atheist: Ich glaube, dass ich nicht glaube.
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Du willst oft so sein wie andere. Bedenke, andere wollen auch sein wie Du.
Aber Du hast den Vorteil, Du bist es schon.
Ist es notwendig, für das Wirken eines vermeintlichen Gottes,
dessen reale Existenz anzunehmen?
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Glauben ist vertrauen können.
Religiöser Glauben ist mitunter blindes Vertrauen.
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Weshalb sollte ein Glauben, der mit der Wissenschaft im Widerspruch ist,
mehr Trost versprechen?
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Die Religion kann nicht durch Wissenschaft ersetzt werden, allerdings muss
der Antagonismus von Glauben und Wissen aufgehoben werden.
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Die Streitigkeiten zwischen religiös Gläubigen und weltlich Glaubenden
erschöpfen sich oft nur in gegenseitigen Vorwürfen, Unterstellungen,
Zurückweisungen und letztlich nicht haltbaren Ansprüchen. Der religiöse
Mensch beansprucht der Hüter der ewigen Werte zu sein, die in der
materiellen Welt unterzugehen drohen. Der Atheist, also der nicht an einen
Gott glaubende Mensch, meint keinen Glauben zu haben, wobei es ihm
schwer fällt, über den Ursprung seiner Wertvorstellungen zu reden.
Was wiederum der religiöse Mensch mit einer gewissen Genugtuung zur
Kenntnis nimmt, die dann wieder dazu führt, dass ihm der Atheist die
Kirchengeschichte ausschließlich als Kriminalgeschichte vorführt.
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Das Ich ist der Moment der überraschenden Einsicht, dass man gleichzeitig
Auto fahren und im Radio einer Sendung folgen kann.
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Wir müssen uns im Sinnfreien selbst besinnen.
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Es gibt keine Glaubens-Systeme.
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Atheist: “Ihr Christen habt es gut, wenn ihr sterbt, dann
habt ihr euren Glauben an das Jenseits.“
Christ: „Hast du aber eine Ahnung, wie schwer das zu erklären ist!“
Christen werfen den Atheisten nicht vor, dass sie keine Religion haben,
sondern dass sie keinen Glauben haben. Die Antwort sollte lauten, wir haben
nur keine Religion.
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Christen und Atheisten stimmen darin überein, dass die einen eine Religion
haben und die anderen nicht. Leider nehmen sie an, dies träfe auch auf den
Glauben zu.
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Jeder möchte, dass man sich auf seine Kinder freut.
Es gibt keine statistische Freude.
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Damit Glauben funktioniert ist es nicht wichtig,
ob es einen Gott gibt oder nicht.
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Homo ludens - Ein Spiel bedeutet nichts außer ihm, es erfüllt aber eine
Funktion.
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Bei Dingen in der Natur wird nie nach dem Sinn gefragt. Allerdings erhofft
man sich zuweilen gerade von da eine Antwort.
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Es gibt eine Bestimmtheit des Schweigens.
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Warum sollte ein militanter Atheist sympathischer sein als ein militanter
Christ?
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Bald werden wir nur noch das in der Natur entdecken, was wir in ihr selbst
gemacht haben.
Wenn jemand aufhört zu suchen, dann muss das nicht bedeuten,
dass er das gesuchte gefunden hat.
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Die Aussage, sterblich zu sein, klingt irgendwie tröstlicher als unheilbar
krank.
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Wie kann man nur darauf neugierig sein,
seine Vorurteile bestätigt zu bekommen?
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Mobilität ist kein Wert an sich. Zu fragen ist doch,
warum sollte man möglichst schnell irgendwo sein.
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Was sind religiöse Grunderfahrungen? Ist das Stellen von existentiellen
Grundfragen schon Religion?
Die Antworten sind Religion, nicht die Fragen.
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Der Nichtkäufer, der Konsumverweigerer hat keine Öffentlichkeit.
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Der kategorische Imperativ einmal anders: Handle so, dass die verfolgten
eigenen Interessen jederzeit öffentlich gemacht werden können.
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Es gibt Veränderungen, die gerade wegen ihrer Langsamkeit beunruhigen
sollten. Man merkt nicht, dass sie stattfinden.
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Das Geistige, das Ideelle ist die gelebte, gegenwärtige Verbindung zwischen
Dingen, die außerhalb dessen sonst keine Beziehung miteinander hätten.
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Vollständigkeit ist die einfachste und langweiligste
Form von Ganzheit.
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Ideen muss man selbst haben.
Man kann sie nicht aus dem Internet herunterladen.
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Bilder prägen sich uns von selbst ein. Wir können uns ihrer Wirkung nicht
entziehen. Allerdings entsteht hier die Frage:
wer ist das Subjekt?
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Vielleicht ist die unberührte Natur selbst schon zu einem Kulturgut geworden?